Schwerer Start…

Trotz theoretisch monatelanger Vorbereitungszeit und guter Vorsätze für unsere 6-monatige Reise, schoben wir das meiste vor uns her. Einige Wochen vor Abflug schwankte ich mehrmals täglich zwischen Vorfreude und kopfloser Panik, nicht alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Die Wohnung musste untervermietet werden und eher lästige Aufgaben, hinsichtlich diverser Versicherungen und anderer organisatorischer Dinge warteten darauf, erledigt zu werden. Noch dazu wollten uns viele Freunde und die Familie nochmal sehen, bevor wir uns auf den Weg machten, was auf der einen Seite schön war, aber auch den Zeitdruck erhöhte. Als ich mir dann dummerweise auf einem dieser Abschiedstreffen eine Trümmerfraktur der rechten großen Zehe beim Trampolinspringen zuzog (wohlgemerkt der erste und hoffentlich letzte Knochenbruch zehemeines Lebens…), war die Laune kurzzeitig am Boden. Es waren  nur noch 10 Tage bis zum Abflug und wir hatten uns gerade alles zum Wandern und Campen in Bolivien besorgt, der Zeitpunkt war perfekt… Untätig auf der Couch zu sitzen viel mir schwer und Harry durfte jetzt für zwei schuften – die Wohnung ausräumen, mich zum Arzt fahren usw., aber am Ende standen wir dann vollbepackt und mit Krücken morgens um 6 auf dem Tegeler Flughafen.

Am Abend zuvor hatte ich versucht uns online einzuchecken, aber auf der Website hieß es, unser Flug nach Miami sei gestrichen worden. Es war einige Tage nachdem der Hurrikane Irma in Miami gewütet hatte. Wir riefen also noch am Abend bei Iberia an, der Fluggesellschaft, über die die Flüge gebucht worden waren. Der Callcenter-Mitarbeiter meinte, das Wetter in Miami sei super und der Flug würde wie geplant starten. Am Schalter in Tegel wunderte sich die Iberia-Mitarbeiterin dann, dass auch sie uns nicht in den Flieger nach Miami einchecken konnte. Aber wir sollten doch einfach wie geplant nach Madrid fliegen und dort bei American Airlines, die den Flug durchführen würden, nachfragen. Gesagt, getan. Am Schalter von American Airlines dann die fast befürchtete Nachricht: der Flug sei gestrichen worden und das wisse Iberia auch, aber sie würden trotzdem weiter Passagiere schicken..also versuchte man uns auf einem Flug 4 Stunden später nach Miami umzubuchen. Wir mussten zurück zum Iberia Schalter und standen dort eine gefühlte Ewigkeit an, da das Computerprogramm abgestürzt war. Als es dann endlich wieder zu funktionieren schien, versuchte uns eine sichtlich überforderte Mitarbeiterin auf den gewünschten Flug umzubuchen. Dabei musste sie mehrere Male ihre Schalternachbarin um Hilfe bitten. Ängstlich fragten wir nach, was denn mit unserem Gepäck passieren würde, aber es wurde uns immer wieder versichert, dass es bis Miami durchgecheckt werden würde, dann müssten wir es abholen und in den Flieger nach La Paz einchecken. Immerhin vergingen die vier Stunden Wartezeit so quasi wie im Flug. Endlich im Flieger, mussten wir über eine Stunde auf die Starterlaubnis warten. Damit wurde die Umsteigezeit in Miami (nach Originalflugplan waren es mal 7 Stunden..) tatsächlich etwas knapp. Dort angekommen hieß es also Krücken in die Hand und los. Erst durch die nervige Einreisekontrolle der USA, die man durchlaufen muss, auch wenn man nur als Transitpassagier dort ist, inklusive Visa-Gebühr… Dann weiter zum Gepäckband. Ich habe dann genervt nachgefragt, warum denn das Gepäck abgeholt und erneut eingecheckt werden müsse. Daraufhin meinte ein fetter, amerikanischer Securitymann, sie würden mein Gepäck verbrennen, wenn ich es nicht abholen würde. Es könne ja eine Bombe drin sein…oh man..als schließlich das letzte Gepäckstück seine x-te Runde auf dem Band drehte, wurde klar, dass unser Gepäck nicht dabei war. Wir gingen zum Gepäckschalter und schilderten unsere Situation. Der Mitarbeiter, dieses Mal ein Freundlicher, meinte wir sollen rennen, damit wir unseren Flug nach La Paz noch kriegen würden und das Gepäck dann dort verloren melden. Also „rannten“ wir los. Alle Türen waren schon geschlossen, da es in Miami mitten in der Nacht war. Total verzweifelt fragten wir immer wieder nach dem Weg, schafften wir es am Ende noch gerade so in den Flieger. Eine Stunde bevor wir in La Paz landen sollten, traute ich mich das erste Mal, mich zu freuen, dass wir nun endlich ankommen würden und das auch noch zur geplanten Zeit. Kurz darauf kam eine Durchsage vom Piloten, dass wir aufgrund von schlechtem Wetter nicht in La Paz landen könnten und deshalb nach Santa Cruz fliegen würden. Im Flieger hatten wir keine Chance Oscar Bescheid zu sagen, der uns morgens um 5 in La Paz auf dem Flughafen abholen wollte. In Santa Cruz mussten wir uns erneut durchfragen und auf einen Flieger nach La Paz warten. Wir trafen einen etwas eigentümlichen Schweizer mittleren Alters, der auch im Flieger neben uns saß. Er hatte nur einen kleinen Rucksack mit Handgepäck dabei und machte eine Weltreise mit scheinbar wenig Plan und nur sehr kurzen Aufenthalten an den jeweiligen Orten. In Bolivien hatte er ein Tag in La Paz eingeplant, dann wollte er schon weiter nach Lima fliegen. Über die Stadt selbst schien er sich nicht viel informiert zu haben. So wusste er nicht, dass er Flughafen in La Paz mit über 4000 m einer der höchstgelegenen Flughäfen der Welt ist. Sein Plan war, sich in einem Taxi die Stadt zeigen zu lassen und am nächsten Tag weiter zu fliegen. Immer wieder fragte er uns, wieviel Einwohner La Paz und auch jede andere Stadt, über die wir sprachen, hatte. Insgesamt wiederholte er ständig die gleichen Fragen. Außerdem schwärmte er von dem, laut seiner Aussage deutschen Fernsehprogramm „Medical Detectives“, dass er zu Hause die ganze Nacht schauen würdet. Als Harry ihm erzählte, dass er als Ingenieur in einer Firma, die Solarzellen produziert arbeitet, meinte er, dass er auch ein Solarium zu Hause habe… Irgendwie kam er uns ehrlich gesagt etwas debil vor oder vielleicht war er einfach nur ein wenig verrückt. Ob er einen Job hatte war nicht klar, sein Vater hatte wohl für die Reise bezahlt. Ich habe keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Spanisch konnte er zumindest nicht und sein Englisch war auch eher rudimentär.

Aber wir hatten es endlich geschafft. Wir waren in La Paz. Oscar, ein Freund, den ich in Madrid kennengelernt hatte und der jetzt in La Paz lebt, holte uns vom Flughafen ab. Etwas schwindelig war uns und ich fühlte mich auch kurzatmig, aber auf der Fahrt zu Oscars Wohnung wurde das schnell besser, da er etwas weiter unten auf ca. 3500 m Höhe wohnt. Wir wurden herzlich willkommen geheißen und Oscars Mutter nahm uns gleich unter ihre Fittiche. Wir sollten wegen der Höhe sofort ins Bett und außerdem nichts Schweres essen. Oscar hatte extra, trotz Protest unsererseits sein Zimmer für uns geräumt. Die ersten Tage verbrachten wir damit uns zu akklimatisieren, sowohl bezüglich der Höhe, sowie auch der Zeitumstellung. Außerdem hatte uns der Flug einige Nerven gekostet. Am 2. oder 3. Tag nach unserer Ankunft kam endlich der Anruf vom Flughafen, unser Gepäck sei da. Die Freude war groß, bis dann der Fahrer nur Harrys Rucksack aus dem Auto holte und meiner nicht dabei war. Die nächsten Tage riefen wir immer wieder  American Airlines und den Flughafen in El Alto an, keiner wusste, wo mein Gepäck war, jeder erzählte etwas anderes, aber die meisten meinten, es würde schon irgendwann ankommen. Immer wieder wurden wir auf morgen vertröstet. Immerhin habe die Airline 21 Tage Zeit, das Gepäck zu finden. So verbrachten wir die Zeit damit, bei Oscar zu Hause zu chillen und, soweit es meine gebrochene Zehe erlaubte, etwas durch die Stadt zu humpeln. Auch sorgte ich noch zusätzlich für Aufregung, da ich mit meiner Kreditkarte kein Geld abheben konnte und Harrys ebenfalls nicht funktionierte. Nachdem wir mehrere Banken durchprobiert hatten, gingen wir in ein Internetcafé, da Oscar zu Hause kein Internet hat, um herauszufinden, was das Problem war. Aber ich fand erst keine Lösung. Also klapperten wir wieder diverse Banken und fragten nach, jedoch konnte uns keiner weiterhelfen. Am nächsten Tag rief ich dann bei meiner Bank an, die Verbindung war sehr schlecht, ich verstand kaum etwas, aber am Ende konnte mir der Bankmitarbeiter mitteilen, dass ich vergessen hatte eine Wunsch-PIN für die Karte zu vergeben…es hätte so einfach sein können…mit dieser Info zurück zum Internetcafé und anschließend zur Bank – tatsächlich hielten wir einige Minuten später unser erstes bolivianisches Geld in der Hand.. Damit konnten wir die Stadt nun endlich etwas entspannter erkunden.

P1040366Harry und ich vor dem Haus von Oscar und seiner Mutter. In La Paz liegt die Temperatur nachts um die 0°C, tagsüber waren es so 12°C. Es gab keine Heizung und wir haben am Anfang ganz schön gefroren.

 

P1040375Das Bier ‘Prost’ hab ich in Bolivien das erste Mal gesehen, probiert haben wir es noch nicht.

 

 

 

 

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Kiezfest in Obrajes, dem Stadtteil in dem Oscar und seine Mutter wohnen.

 

 

 

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P1040432Oscar und ich wie wir ein typisches bolivianisches Gericht essen. Es heißt ‘Saice’ und wird mehr oder weniger wie ‘S(ch)eiße’ ausgesprochen, eins der wenigen deutschen Worte, die Oscar kennt…daher sollten wir es wohl unbedingt probieren.

 

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Beim Einkaufen auf dem Markt. Im Supermarkt ist überraschenderweise vieles teurer als in Deutschland. Generell wirkt es hier zum Teil so als würden die Reichen und die Armen in getrennten Welten leben. Allerdings zahlen wir als offensichtlich weiße Touristen auf dem Markt eher mehr als die Einheimischen. Oscar musste für seine Kaugummis 50 bolivianische Cents mehr als sonst bezahlen, weil wir daneben standen. Aber an den Ständen, wo wir öfter waren, kannten uns mit der Zeit die Verkäufer und wir bekamen die Sachen zu den regulären Preisen.P1040440

La Paz ist der Regierungssitz Boliviens und ist in der Schlucht des Flusses Choqueyapu gebaut. Immer wieder hat man durch die Straßen bei klarem Wetter einen wunderschönen Blick auf die Berge, vor allem den schneebedeckten Gipfel des Illimani mit 6439 m Höhe. Die Bauart der Häuser sieht zum Teil wenig vertrauenserweckend aus, vor allem die höher gelegenen, die sich an den Wänden der steilen Schlucht festklammern. Weiter unten wohnt der eher besser verdienende Teil der Bevölkerung, während oben La Paz nahtlos in die Stadt El Alto auf der Hochebene des Altiplano übergeht. Früher war dies ein Stadtteil von La Paz, in dem zum größten Teil Aymara, eine indigene Bevölkerungsgruppe Boliviens leben.

P1040580Mit der Seilbahn fuhren wir auf den Markt in El Alto. Hier gibt es fast alles zu kaufen, Möbel, Autos, Tiere, Pflanzen, Kleidung, Gemüse usw.

 

 

 

 

 

 

 

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Man sieht hier viele Frauen mit den typischen mehrlagigen, weiten Röcken und Melonen auf dem Kopf. Fast alle transportieren auf dem Rücken in bunte Tücher eingewickelte Waren und oft auch Kinder jeder Größe. Kinderwagen haben wir hier bisher noch nicht gesehen.

Unten der Blick von der Seilbahn aus auf dem Rückweg.

 

 

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Der Verkehr in La Paz ist gerade zu Stoßzeiten die Hölle. Es gibt sogenannte Minibusse ohne feste Haltestellen, die im Fenster Schilder mit den jeweiligen Zielen zu hängen haben. Diese winkt man am Straßenrand heran und muss dann dem Fahrer zurufen, wenn man aussteigen will. Eine Fahrt kostet 2 Bolivianos, also umgerechnet ca. 25 Cent. Allerdings macht das ständige Anhalten der Minibusse den Verkehr nicht gerade besser und zu Stoßzeiten ist man zu Fuß schneller. Daneben gibt es auch Busse mit festen Haltestellen, Sammeltaxis, sogenannte Trufis und Trufi Collectivo. Als Lösung des Verkehrsproblems, baut die bolivianische Regierung gerade mehrere Seilbahnen. Vier sind schon fertig, insgesamt sind 11 geplant.

P1040507Rechts sieht man einen Minibus. Im Fenster stehen die Ziele und man muss wissen, wo genau welcher Bus fährt. Am Anfang brauchten wir etwas Hilfe von Oscar und seiner Mutter, um uns zurecht zu finden. Seitdem haben wir hier den Spitznamen ‘guiris’, auch wenn die weißen Touristen in Bolivien ‘hippies’ heißen.

P1040494Der Fluß Choqueyapu, früher gab es hier mal Gold, jetzt wird er eher als Abwasserkanal genutzt und riecht dementsprechend.

 

 

 

 

 

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Am 10. Tag kam endlich der ersehnte Anruf: mein Rucksack war in La Paz angekommen und die Warterei hatte ein Ende. Einen Tag danach aßen wir Salchipapa, eine Art Currywurst in einer Imbissbude (Bild unten rechts). Vier Stunden später hing ich brechend über der Klobrille und der Durchfall ließ leider auch nicht lange auf sich warten. Insgesamt verzögerte das unseren Aufbruch in La Paz um weitere drei Tage, aber als wir dann endlich im Bus nach Rurrenabaque saßen, war ich nach 16 Stunden Busfahrt ohne Klo ziemlich froh, noch so lang gewartet zu haben.P1040491P1040485IMG_0512Valle de la luna (Mondtal). Ein Steinformation wenige Minuten außerhalb von La Paz.

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Die steilen Straßen von La Paz, die wir uns dann doch eher keuchend hochquälten. Auf einem Aussichtspunkt hatten wir leider etwas Pech mit dem Wetter, sonst hätte man im Hintergrund schneebedeckte Berge gesehen.

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